Die Linde: seit Urzeiten ein Freund des Menschen

Die Linde: seit Urzeiten ein Freund des Menschen

Jürgen Weltenbummler

Tierwelt

Der betörende Duft der Lindenblüten überzieht im Juni und Juli Parks und Anlagen und lockt Liebende an. Die Linde ist tief verwurzelt im Volksglauben.

Wohl kein Baum ist so beliebt, wie der weitverbreitete Hausbaum namens Linde.

Adalbert Stifter (Schriftsteller 1805-1868) meint zur Linde: „Wo wäre eine Linde in deutschen Landen, unter der nicht eine Bank stünde oder neben der sich nicht eine Kapelle befände. Die Schönheit ihres Baues, das Überdach ihres Schattens und das gesellige Summen in ihren Zweigen laden dazu ein.“

Die enge Bindung der Menschen an den Lindenbaum zeigt sich an den vielen Erwähnungen, die die Linde erfährt. Etwa in Dichtung und Historie.

Die Linde hat ihren Platz nicht nur im Volksglauben, auch in der Heilkunde spielt sie seit altersher eine wichtige Rolle. Die getrockneten Blütenstände der Linde haben eine schweißtreibende Wirkung und werden bei Erkältungskrankheiten angewendet, aber auch bei Rheuma, Ischias und zur Behandlung von Krämpfen.

Nicht zuletzt ist die Linde eine Liebespflanze, die schon der germanischen Liebesgöttin Freya und den antiken Griechen der schönen Aphrodite geweiht war.

Die zwei Arten der Linde

Der Botaniker unterscheidet zwei Arten von Lindenbäumen. Die Sommerlinde (Tilia platyphyllos Scop) und die Winterlinde (Tilia cordata Mill).

Die zwei Arten von Lindenbäumen

Unterschieden werden können die Bäume anhand ihrer typischen herzförmigen Blätter, die bei der Winterlinde kleiner sind.

Die Sommerlinde zählt zu den phänologischen Zeigerpflanzen, die eine bestimmte Jahreszeit anzeigen, hier den Vollsommer. Die hauptsächlich in den Wäldern vorkommende Winterlinde ist anspruchsloser und benötigt weniger Feuchtigkeit als ihre Sommergefährtin.

Linden können bis zu 40 Meter hoch werden und sehr alt – über 1.000 Jahre. Dazu heißt es im Volksmund: 300 Jahre kommt sie, 300 Jahre steht sie, 300 Jahre vergeht sie. Das weiche, kurzfaserige Holz der Linde eignet sich wie kein anderes bestens für filigrane Schnitzarbeiten. Tilmann Riemenschneiders Meisterwerke bestehen deshalb aus dem “Lignum Sacrum“, dem “Heiligen Holz“, wie das Lindenholz genannt wird.

Ein wichtiger Rohstoff der Linde war einstmals der Bast. Er wurde für den Hüttenbau und der Herstellung von Kleidung verwendet.

Was Lindenblüten alles vermögen

Wer für die nasskalte Jahreszeit vorsorgen will, sollte sich beizeiten einen Vorrat an Lindenblüten zulegen. Der beste Sammelzeitpunkt für Lindenblüten ist der Vormittag, wenn die Blüten vollkommen trocken sind. Nässe und Regen waschen wertvolle Wirkstoffe aus den Blüten heraus.

Die Blütezeit der Sommerlinde ist im Juni, die der Winterlinde zwei, drei Wochen später. Die in einem Korb gesammelten Blüten – in Plastiktüten verlieren sie schnell ihren Wirkstoff – werden zu Hause zum Trocknen ausgelegt. Der Platz sollte warm, aber nicht zu sonnig sein. Aus Lindenblüten lässt sich nicht nur Tee herstellen, sondern auch ein wohltuendes Bad, das hervorragend gegen Nervosität und Depressionen hilft.

Lindenblüten sind nicht nur fiebertreibend, sie stärken auch das Immunsystem und wirken vorbeugend gegen Allergien.

Die Linde im Brauchtum

Wie tief die Linde im Volksleben verwurzelt ist, zeigt die große Anzahl von Familiennamen: Lindner, Lindacher, Terlinden, Lindström sind häufige Namen.

Auch in Straßen- und Flurnamen findet sich die Linde. Es gibt die “Lindenstraße“, “Unter den Linden“, die “Lindenallee“. Früher gab es die “Dorflinde“, die mitten im Dorf stand und in etwa die Funktion hatte, die heute Mehrzweckhallen haben.

Die Dorflinde war Versammlungsplatz und diente dem Gemeinschaftsleben sowie dem geselligen Beisammensein. Sie war Gerichtsplatz: Unter Linden schwörte man einen Eid und sprach Urteile aus.

Urkunden belegen das alte “judicum sub tilia“, das noch bis Ende des 18. Jahrhunderts praktiziert wurde. Ähnlich wie heute noch in den Kirchen durften Verfolgte und Gejagte unter dem Kronendach der Dorflinde nicht mehr ergriffen werden.

Die Linde gewährte Schutz vor Gewitter und bösen Geistern. (Heute wird das mit dem Schutz vor Gewitter unter Bäumen anders gesehen).

Bei den Germanen galt die Linde neben der Eiche als heiliger Baum, dessen Holz bei rituellen Verbrennungen der Toten verwandt wurde.

Wenn die kampfeslustigen Germanen aufeinander einschlugen, schützten sie sich mit Schilden aus mehreren Lagen verflochtenen Lindenbasts. In Sagen gelten Linden häufig als Sammelplatz der Hexen. Im Zuge der Christianisierung wurde aus der Freya-Linde der Germanen die Marien-Linde, neben der meist auch eine Kapelle stand. Im Mittelalter galt die Linde als Bienenweide des Heiligen Römischen Reiches und stand unter deren Bann.

Wer Hand an sie legte, hatte Schlimmes zu befürchten. Damals war die Zugabe von Honig die einzige Möglichkeit etwas zu süßen.

Die Linde in der Dichtung

In der Dichtkunst ist die Linde allgegenwärtig und durchweg positiv belegt. Vom Minnesänger Walter von der Vogelweide bis zu Johann Wolfgang von Goethe haben viele Dichter und Literaten die Linde zumindest erwähnt.

Am Brunnen vor dem Tore … von Wilhlem Müller kennt wohl jeder. Die Bedeutung der Linde als Baum der Liebenden findet sich in vielen weiteren Volksliedern. Heinrich Heine schrieb zur Linde: “Sieh das Lindenblatt, du wirst es wie ein Herz gestaltet finden, drum sitzen die Verliebten auch am liebsten unter Linden.“

Jürgen Weltenbummler

Jürgen Klopp lebt und arbeitet seit ca. 25 Jahren auf den Kanaren. Seinen ständigen Wohnsitz hat er seit 19 Jahren auf der Insel La Palma.

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