Sie sind gruselig, kriechen im Schutz von dichtem Nebel zu Tausenden aus dem Erdreich und wandern stets von West nach Ost. Niemand kennt ihr geheimnisvolles Ziel. Gleich einer Herde Zombis, wechseln sie nur bei Licht die Richtung, denn Lichtquellen üben eine besondere Faszination auf Wesen der Unterwelt aus.
Inselbewohner sind angeekelt, Touristen geschockt. Kleine schwarze Würmer kriechen bei warmer Luft und Regen in Scharen aus der Erde, bevölkern Hauswände, Terrassen, machen auch vor ihrem Badezimmer nicht halt. La Palma ist im Spätsommer ein Paradies für den “bicho negro”, ein portugiesischer Tausendfüßler mit dem Namen “diplopoda julidae ommatoiulus moreleti”.
Unbegründetes Entsetzen!
Angst muss vor dem kleinen Tausendfüßer niemand haben. Als harmloser Landbewohner kann der “bicho negro” weder stechen noch beissen, ernährt sich von Pflanzenabfällen und absterbenden organischen Substanzen. Seine einzige Waffe ist Chinonen. Das gelbliche, leicht stinkende Sekret ist für Menschen nicht giftig. Es wird bei Erregung als Abschreckung von Feinden aus einer Reihe von Drüsen abgesondert.
An die Erdoberfläche kommt der „bicho negro“ (schwarzer Wurm) nur bei starker Feuchtigkeit, wie zum Beispiel Nebel oder Nieselregen, in Verbindung mit sommerlichen Temperaturen. Wird es trocken, verschwindet er wieder in seinem dunklen Erdreich.
Schwarze Würmer sind kein palmerisches Phänomen
Lange Zeit war über den “Falangista”, wie man den “bicho negro” ebenfalls nennt, wenig bekannt. Man vermutet seinen Ursprung in Portugal, von wo er sich über den gesamten Mittelmeerraum ausbreitete. Dies änderte sich, als er, wohl durch Kontainerschiffe, nach Australien verschleppt wurde. Im feuchtheißen australischen Klima vermehrte er sich so stark, dass er in rauhen Massen auftrat. Es wird berichtet, dass Australier in den 70er Jahren eimerweise schwarze Würmer aus ihren Wohnungen schafften. Grund genug, die Tiere näher zu betrachten.
Eine erste Puplikation gab es mit der Dissertation von G.H. Baker am 28 JUL 2006 im Australian Journal of Ecology. Wissenschaftlich hört sich die Taxonomie so an:
Name: “diplopoda julidae ommatoiulus moreleti”
Stamm: Arthropoda (Gliederfüßer)
Klasse: Diplopoda (Zweifüßer)
Familie: Julidae
Art: Ommatoiulus morelettii
In trockenen Jahreszeiten ist von schwarzen Würmern nichts zu sehen.
Erst nach Regen kommen die Tausendfüßer heraus und legen ihre etwa 200 Eier in Erdlöcher. Schlüpft der „bicho“ aus dem Ei, ist er eine beinlose Larve. Erst nach einer Woche bilden sich 3 Beinpaare. Weitere werden nach jeder Häutung entwickelt. Nach etwa 2 Jahren und 10 bis 11 Häutungen ist der portugiesische Wurm ausgewachsen, schafft es auf 20 bis 45 mm Länge und 200 Beine an 50 Körpersegmenten. Spuren dieser Häutungen sind manchmal in Form einer vertrockneten Hülle zu finden, meist jedoch frisst der bicho seine eigenen Hinterlassenschaften selbst auf.
Weshalb sie ihr innerer Kompass unermüdlich auf Wanderung von West nach Ost führt, konnte bisher keine Studie belegen.
Fakt ist, werden sie gestört, rollen sie sich ein, verharren bewegungslos bis die Gefahr vorüber ist, um dann ihren weg nach Osten fortzusetzen.
Kommt dann die Trockenzeit, ziehen sie sich die schwarzen Gesellen wieder in ihr Erdreich zurück.
Ohne wissenschaftliches Interesse kann man diese Würmer (die eigentlich keine sind) nicht schön finden. Selbst der gefräßige Gecko straft den bicho negro mit Verachtung. Tritt er dann in Massen auf und hängt sich auf seinem, scheinbar ziellosen Weg, an Hauswände oder kriecht in Wohnungen, möchte man die ungefährliche Plage los werden. Verbindliche Rezepte gibt es dazu nicht.
Versuch und Irrtum bestimmen den Krieg mit teils kuriosen Waffen kontra Krabbeltier.
Von Tabaksud rund ums Haus, bis zu einer Mischung von Zucker und Backpulver kann man lesen. Einige schwören auf Lavendelblüten, andere auf Giftkeule aus der Sprühdose. Womöglich helfen auch okkulte Rituale, …wer nichts weiss muss halt alles glauben.
Das einfachste Hausmittel bleibt der Besen. Denken sie daran, die Tierchen sind, wenn auch nicht schön anzusehen, absolut harmlos. Nehmen sie sich einfach ein paar Minuten Zeit und fegen sie den bicho negro in den Garten. Ja, der Tausendfüßler wird wiederkommen, aber auch ihr Besen kann mehrmals benutzt werden und die nächste Trockenzeit kommt bestimmt.